Ein offenes Geheimnis, aber auch ein gerne verschwiegenes Tabuthema ist das Verhältnis zwischen Wirtschaftsunternehmen und Medien. In der Beziehungsgemengelage zwischen Managern, ihren PR-Beratern, Verlagsleitungen und Chefredakteuren und Anzeigenvermarketern nebst Redakteuren läuft es mitunter allzu rund. Es grenzt an Korruption.
Nun ist gegen ein Hand-in-Hand-Arbeiten grundsätzlich nichts zu sagen, und Missbräuche sind womöglich eher die Ausnahme. Doch zu gravierend ist jeder Einzelfall, bei dem die Glaubwürdigkeit unter die Räder gerät. Denn das nimmt den redaktionellen Beiträgen ihr Lebenselexier und damit ihre Daseinberechtigung: ihre Glaubwürdigkeit. Dazu heißt es im aktuellen Editorial der Marketingfachzeitschrift absatzwirtschaft:
“Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Korruption durch die vorliegende Ausgabe der absatzwirtschaft (Cover im Bild). Wir fanden es an der Zeit, hier einen Schwerpunkt zu setzen. Auslöser war der spektakuläre Fall eines überführten PR-Managers von Mazda. Uns geht es aber weniger um eine Story aus „sex and crime“, sondern mehr um die Analyse einer Systematik, mit der in der Grauzone großzügige Gefälligkeiten gegen genehme Geschichten getauscht werden. Bestechenden Unternehmenskommunikatoren und bestechlichen Medienautoren droht dabei keine Strafe, was Juristen geändert sehen möchten. Auf anderer Ebene trennen Verlage und Sender nicht mehr sauber zwischen Redaktion und Anzeigen, weil originäre Erlösquellen versiegen. Beides kostet Glaubwürdigkeit, die doch als Verkaufsargument gegenüber Inserenten dient, die ihre Anzeige im seriösen Umfeld platzieren sollen und wollen.
Der Missbrauch von Vertrauen ist ein universelles Phänomen, und Korruption passiert häufiger als man denkt, bestätigt Wirtschaftspsychologe Felix Brodbeck im Interview allgegenwärtige Wirkhebel in Einkauf, Vertrieb und PR-Arbeit (S. 6). Unsere Titelstory „Zweifelhafte Beziehungen“ (S. 20) legt die Mechanismen hinter Verstrickungen frei und übt Medienkritik. Compliance-Regeln und Korruptionsrecht vor Augen beschreibt Vera Hermes geregelte Geschäftsbeziehungen und verschafft damit Orientierung (S. 36). Mit humoristischer Note ist dem Missstand auch beizukommen, beweisen Satiriker Hans Zippert, Cartoonist Stephan Rürup (großartige Zeichnung unten) und Briefschreiber Holger Zscheyge, der aus Russland sogar einen eigenen Begriff für gekaufte Beiträge übermittelt. Lassen Sie sich davon aber nicht täuschen, denn unlautere Vorteilnahmen gibt es nicht nur in weniger entwickelten Ländern.
Zur Inspiration empfohlen seien zudem das Interview von Peter Hanser mit Opel-Marketingvorstand Tina Müller und ihrem langjährigen Henkel-Weggefährten Hans-Willi Schroiff über eine neue Art von Ehrlichkeit bei Innovationen (S. 12) sowie der authentische Asientourbericht mit Trendbeobachter Mathias Haas und jeder Menge zukunftsweisender Megatrends (S. 30). Sie sehen an dieser Auswahl vielleicht: Wir meinen es ehrlich mit Werten und Wissen vermittelnden Marketingfachjournalismus. Die bissige Mahnung des großen Publizisten und gefürchteten Grantlers Karl Kraus ist uns schließlich eine stets wachrüttelnde Warnung: „Ich habe viele Jahre damit verbracht, den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen.“ Über offene und konstruktive Leserkritik freuen wir uns übrigens immer. Auf Ihre E-Mail bin ich gespannt.”
Ihr
Thorsten Garber
PS: Meine Empfehlung und Bitte lautet – Heft ordern und eigene Erfahrungen per E-Mail schildern.
The post Grauzone großzügiger Gefälligkeit appeared first on Garbers Gazette.